Freitag, 5. Juni 2015

SitCen - Europas CIA: BND arbeitet mit am Aufbau von pan-europäischem Geheimdienst

Bürger-Ausspähung vorbei an der Öffentlichkeit
 
Ungeachtet des aktuellen BND/NSA-Skandals schreitet unter Mitwirkung des BND der Aufbau eines EU-weiten Geheimdienstes voran.  Schon 2010  wurde die europäische Spionage-Agentur Joint Situation Centre (SitCen) in Brüssel von der damaligen EU-Aussenbeauftragten Catherine Ashton weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit in den Europäischen Auswärtigen Dienst (EEAS) eingegliedert.
SitCen unbehelligt im Zuge des BND-Skandals

Zu deren Direktor wurde Ikka Salmi nominiert, dessen Namen seitdem nicht mehr in den Medien auftauchte. Selbst als vor kurzem Politiker im Zuge des BRD-Spionage-Skandals für mehr nachrichtendienstliche Koordination auf europäischer Ebene plädierten, erinnerte sich niemand an den Ex-Chef des finnischen Geheimdienstes, zu dessen Aufgaben die Abstimmung von mehr als 20 Inlandsspionagediensten aus EU-Mitgliedsländern gehört.

Gegründet für mehr Unabhängigkeit von USA
SitCen wurde Mitte der 90er Jahre gegründet, um Europa mehr Handlungsspielraum gegenüber den US-Geheimdiensten zu geben. Im Zuge der Entwicklung einer gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik brauche Europa auch einen gemeinsamen Nachrichtendienst, hieß es 1996 in der Zeitschrift “Internationale Politik”. Proteste aus den USA suchte die damalige Kohl-Regierung durch Bekenntnisse zur transatlantischen Partnerschaft zu mildern. Erster Chef von SitCen wurde der US-freundliche Brite William Shapcott. Noch 2001 musste Berlin den als Nachfolger vorgesehenen CDU-Politiker, Christoph Heusgen, der übrigens Mitglied in der “Atlantik Brücke” ist, zurückziehen.

110 Spione arbeiten rund um die Uhr
Heute tauschen sich bei SitCen in sogenannten Zellen rund um die Uhr Auslandsgeheimdienste u.a. aus Großbritannien, Frankreich, Italien, Spanien, den Niederlanden, Schweden und eben auch der BND gegenseitig über Erkenntnisse und darauf basierende Schlussfolgerungen nebst Handlungsempfehlungen aus. 110 Mitarbeiter versorgen das Kabinett der amtierenden EU-Aussenministerin Federica Mogherini sowie weitere hochrangige EU-Repräsentaten mit Berichten zur mittelfristigen Entwicklung der innereuropäischen Sicherheitssituation. Zu ihren Aufgaben gehören die Beurteilung möglicher Bedrohungen des öffentlichen Transportsektors oder der Infrastruktur genauso wie die Identifizierung von Trends in Sachen Terror-Finanzierung.

20 Inlandsgeheimdienste spähen Bürger aus
Jedes Jahr wirft SitCen rund 200 Situations- sowie 50 Spezial-Berichte oder Briefings aus, die auf geheimen Papieren von mehr als 20 Inlandsgeheimdiensten basieren. Darüber hinaus liefern der Europäische Rat, die Kommission sowie EU-Delegationen Stoff, der mit öffentlich zugänglichen Nachrichten aus On- und Offline-Medien abgeglichen wird. Es gilt zudem als sicher, dass SitCen Material über Interventionen von Polizeien und Streitkräften in EU-Staaten sammelt und auswertet. Ziel ist die europäische Bevölkerung. Dabei stehen besonders Demonstrationen, politische Kungebungen sowie Vereine oder Parteien, Kirchen und so fort im Fokus. Mit anderen Worten: SitCen späht europaweit die Partizipation der Bürger am Prozess der öffentlichen Meinungsbildung aus.

Keine parlamentarische Kontrolle
Nur wenige Dokumente sind öffentlich, darunter eines aus dem Jahr 2001. Es trägt den Titel “Vorschläge für ein kohärentes und verständliches Krisen-Management in der EU”.  Darin heisst es nebulös, dass SitCen in normalen Zeiten internationale Entwicklungen beobachtet, Frühwarnung betreibt und über die Ergebnisse berechtigte EU-Institutionen infomiere. In Krisenzeiten würden zusätzlich Verschlusssachen aus den Mitgliedsstaaten bereitgestellt.

Zwar bemüht sich das Europaparlament in Sachen SitCen seit Jahren um mehr Transparenz, doch bis heute entzieht sich die Spionage-Agentur jeglicher parlamentarischen Kontrolle. Festzustehen scheint jedoch, dass sie Erkenntnisse (noch) nicht aus eigenen (verdeckten) Operationen gewinnt. Für Experten ist es aber nur eine Frage der Zeit, dass der nachrichtendienstliche Service-Provider beim EEAS mit weiterreichenden Kompetenzen ausgestattet werden wird.

Kritiker sprechen von „europäischer CIA“
Schon vor längerem warnten Kritiker wie der britische Think Tank „Open Europe“ vor einer "europäischen CIA". Der Ausbau zu einem regulären europäischen Geheimdienst sei die Konsequenz des systematischen deutsch-europäischen Strebens nach machtvoller Einflussnahme in globalem Maßstab, durch eine auf Spionage fundierte und im Zweifelsfall zum Rückgriff auf Gewalt bereite Außen- und Militärpolitik.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen